Zungentraining intensiv (2.Teil): Kraft oder Ausdauer?

Intro

In der letzten Ausgabe ging es allgemein um eine günstige Ausgangposition der Zunge und um die Verbindung Luftführung – Zungenbewegung. Wenn Sie nun in das weiterführende Training einsteigen, dann lassen sich drei Aufmerksamkeits-Schwerpunkte oder auch Trainingsziele unterscheiden:

  1. Ausdauer
  2. Kraft / Präzision
  3. Geschwindigkeit

Beim Üben sollten Sie sich vorher immer überlegen, was genau Sie gerade trainieren möchten. Worauf wollen Sie achten? Nach dem Prinzip der rotierenden Aufmerksamkeit (nach Gerhard Mantel, „Einfach üben!“, Schottverlag, Mainz 2001) sollten Sie sich zunächst auf nur einen Aspekt konzentrieren. Mit der Zeit kombinieren Sie verschiedene Aufmerksamkeitspunkte, bzw. finden für sich heraus, auf welchem dieser Punkte, die beim Spielen gleichzeitig gelingen müssen, Ihre Aufmerksamkeit besonders liegen sollte, damit die Ausführung gelingt.

So ist auch diesmal die Reihenfolge der vorgestellten Übungen nicht als zwingende Vorgabe für den eigenen Übeplan gedacht.  Entscheiden Sie vielmehr danach, auf welchem Gebiet Sie gern mehr Kontrolle und Flexibilität erlangen möchten – und legen Sie los!

Allen vorgestellten Übungen ist gemein, dass versucht wird, andere Aspekte (zunächst) auszuklammern.

Ausdauer

Bei diesen Übungen geht es darum, die Zunge über einen längeren Zeitraum gleichmäßig zu bewegen.

Die Basisübung ist wirklich schlicht:

  • wählen Sie einen Ton in einer bequemen Lage, beispielsweise g‘‘
  • stellen Sie Ihr Metronom auf ein Tempo ein, in dem Sie, wenn die Klicks Viertel abbilden sollen, bequem Sechzehntel spielen können. Die Idee hinter diesem „Vier auf einen Schlag“-Spielgefühl wird Sie dabei unterstützen, flüssiger und in einer Tenuto-Spielweise (als „Legato mit Zunge“) zu bleiben. Es geht nicht darum, Geschwindigkeit zu trainieren!
  • die Zungenbewegung sollte unbedingt (relativ) weich sein. Achten Sie auf eine gute Luftführung – probieren Sie die Idee, dass die Luft die Zunge „mit Energie versorgt“.
  • spielen Sie jeweils so lang, wie die Luft reicht, in einem gut geführten, aber nicht forcierten mezzoforte. Dann kurz atmen, weitermachen!
  • wiederholen Sie dies länger, als es bequem ist. Irgendwann wird die Zunge müde werden. Machen Sie trotzdem noch drei Atemzüge weiter! Wenn Sie Sport machen, kennen Sie das sicher auch – der Körper will Energie sparen und die Anstrengung beenden, bevor er an die Reserven muss bzw. bevor es eventuell nötig werden könnten, langfristig neue Muskeln aufzubauen…
  • wenn Sie an diesem Punkt weitermachen, nehmen Sie in Kauf, dass die Bewegung ungleichmäßiger wird. Achten Sie aber unbedingt darauf, dass sich an andere Stelle keine Verkrampfung einschleicht, z.B. im Bereich der Kehlkopfmuskulatur, im Nackenbereich, im Kiefer. Legen Sie die Aufmerksamkeit auf die Luftführung.
  • wenn Sie nach dieser Übe-Einheit kurzzeitig ein wenig lispeln oder sich Ihre Zunge ganz träge anfühlt, haben Sie gut geübt (…zum Glück merken wir in der Zunge keinen Muskelkater;))

Krafttraining

Hier soll es nun um präzise, harte Zungenstöße gehen.

  • wählen Sie einen Ton in der dritten Oktave. Durch einen harten Zungenstoß wird die Luftgeschwindigkeit erhöht, daher sollten Sie für den Beginn keine Angst vor unerwünschtem Überblasen haben.
  • stellen Sie das Metronom auf 60 bpm. Spielen Sie dazu maximal-kurze und sehr hart angestoßene Töne.
  • wenn der Tön überschlägt, beobachten Sie, ob sich durch die Vorstellung dieses harten Zugenstoßes auch noch andere Regionen verhärten, beispielsweise die Kehlkopfmuskulatur oder die Lippen. Üben Sie, die notwendige Lockerheit dieser Region mit dem energiereichen Zungenstoß zu koordinieren.
  • wenn das gelingt, experimentieren Sie mit Tönen in anderen Lagen. Finden Sie heraus, wo die Grenze zum Überblasen liegt – und versuchen Sie, diese zu verschieben, indem Sie überprüfen, wo Sie beispielsweise mehr Raum schaffen können, so dass die austretende Luft nicht zu schnell wird.
  • achten Sie unbedingt darauf, dass der Ton nicht nur durch den Zungenimpuls erzeugt wird. Wenn Sie keine Luft „mitschicken“, werden diese Töne später im Zusammenhang klanglos sein.

Geschwindigkeit

Bei diesem Trainingsschwerpunkt geht es darum, von Beginn an sehr schnelle Bewegungen auszuführen. Dazu starten wir mit eher kurzen, dafür aber sehr schnell gespielten Abschnitten – und wieder auf einem Ton. Und auch hier gilt: machen Sie sich zunächst mit der Übung vertraut, finden Sie heraus, wohin genau Ihre Aufmerksamkeit gehen muss, und dann nehmen Sie das Metronom als treuen Trainingspartner dazu.

  • wählen Sie wieder einen Ton in einer bequemen Lage, z.B. g‘‘
  • beginnen Sie mit einem Tempo (Metronom), in dem Sie vier Töne auf eine Einheit schnell spielen können, beispielsweise 100 bpm
  • spielen Sie abwechselnd (zu dem gedachten Viertelpuls)
           -    einen Schlag eine Viertel, einen Schlag vier Sechzehntel…
  • zwei Steigerungs-Wege sind denkbar:
           -    stellen Sie die Metronomzahl höher
           -    bleiben Sie bei 100 bpm und spielen Sie mehr Töne auf eine Zeit: Quintolen, Sechstolen…

Zungentraining ist wie Sport: das bedeutet Fleißarbeit, regelmäßige und vor allem aufmerksame Beschäftigung und auch Ermüdung und Durststrecken, wenn zwischendurch einfach kein Fortschritt mehr zu bemerken ist. Die Belohnung allerdings wird sein, dass wir beim Spielen nicht mehr von der Bewegungsbereitschaft oder schlicht der Schnelligkeit unserer Zunge eingeschränkt werden. Und das ist es meiner Erfahrung nach mehr als wert!

Anhaltende Freude beim Training wünscht

Sandra Engelhardt

Sandra Engelhardt trat im Frühjahr 2015 mit der Veröffentlichung ihrer Unterrichtskonzeption "Wir flöten QUER!" (Breitkopf & Härtel, Wiesbaden) an die flötenpädagogische Öffentlichkeit.
Die diplomierte Instrumentalpädagogin und Flötistin unterrichtet an der Musikschule der Stadt Langenhagen. An der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover lehrt sie Flöte im Haupt- und Nebenfach und leitet das Seminar "Didaktik des Flötenunterrichts". Ihre Tätigkeit als Fortbildungsdozentin rundet die Beschäftigung mit den verschiedenen Ebenen der Instrumentalpädagogik ab.
www.wirfloetenquer.de