Vielen Spielerinnen und Spielern ist gar nicht bewusst, dass Blechblasinstrumente die einzigen Instrumente der Welt sind, bei denen der Mensch selber der Tongenerator (Erzeuger) ist. Bei einem Saiteninstrument ist die Sache klar. Bei Holzblasinstrumenten schwingt das Rohrblatt (Klarinette, Sax, Oboe...), oder die Luft wird verwirbelt (Block- oder Querflöte)-und was schwingt beim Blechblasinstrument? Die Lippen. Wenn man sich aber vor Augen führt, was alles stimmen und zusammenkommen muss, damit wir auch nur einen Ton hervorbringen, grenzt es schon an ein Wunder, dass wir "richtig" Musik machen können.
Unsere Instrumente fangen nicht am Mundstück an und hören nicht am Schallbecher auf! Sie fangen genau genommen am Zwerchfell an und enden erst beim Ohr des Zuhörers. Den ganzen Raum dazwischen müssen wir mit Leben erfüllen. Das Instrument ist eigentlich nur ein Verstärker, ähnlich dem Trichter eines Grammophons.
Zu allererst brauchen wir Luft zum Spielen. Je mehr, je besser. Unsere Lungen liegen wie in einem Käfig zwischen den Rippen. Deshalb können sie sich auch nur ganz wenig nach außen ausdehnen. Aber nach unten ist etwas mehr Platz und unsere Organe sind flexibel. Für die Ausdehnung der Lungen nach unten ist eine Muskel- Platte verantwortlich, die quer im Bauchraum liegt, Lunge und die anderen Organe voneinander trennt: das Zwerchfell! Glücklicherweise funktioniert unsere Atmung automatisch, sonst würden wir jede Nacht sterben. Das Zwerchfell ist also nicht unserem Willen unterlegen. Auf den Befehl: "rechten Zeigefinger ausstrecken" reagiert unser Körper - auf den Befehl: "Zwerchfell runter" leider nicht. Also wie bekommen wir den Vorgang unter Kontrolle?
Das Zwerchfell ist an der Bauchdecke angewachsen- und die können wir bewusst kontrollieren. Also beim Einatmen: Bauch raus! Beim Ausatmen: Bauch rein! Immer wieder beobachte ich selbst bei Musikern/innen die schon jahrelang spielen, dass sie während des Einatmens die Schultern heben. Das bewirkt das Gegenteil von dem, was wir eigentlich wollen. Denn dabei ziehen wir automatisch den Bauch ein, das Zwerchfell geht nach oben und wir bekommen weniger Luft in die Lungen!
Nun müssen wir die Luft kontrolliert abgeben. Dazu dürfen wir nicht wie eine undichte Luftmatratze zusammenfallen, sondern müssen die Spannung in der Bauchdecke beibehalten. Nur so können wir die Menge und Geschwindigkeit des Luftstromes kontrollieren. Übung: Stell Dich eine Hand breit entfernt vor eine glatte Wand oder Tür, nimm einen kleinen Notizzettel, halte ihn vor den Mund und puste den Zettel an die Wand. Machst Du alles richtig, bleibt der Zettel "kleben" bis die Luft ausgeht. Fällt er sofort herunter, hast Du keine Spannung, keine Stütze aufgebaut. Das ist kein Bodybuilding, also versuche es mit dem Telefonbuch gar nicht erst ;-)
Luft haben wir jetzt, also ´raus damit. Durch die Luftröhre geht es ganz einfach, aber schon kommt das nächste Hindernis: der Kehlkopf! Damit müssen wir zwar beim Sprechen und Singen arbeiten, aber beim Spielen unseres Instruments darf er für die Luft kein Hindernis sein. Entspannt und locker müssen Halsmuskulatur und Kehlkopf sein! Jeden Fehler, den wir dort machen, hören wir sofort. Der Ton wird stumpf und brüchig, nicht strahlend und klar. Also beim Üben sich selbst gut zuhören!
Übung: sprich einmal und achte auf den Klang deiner Stimme, wenn Du während des Sprechens die Halsmuskulatur kräftig anspannst! Mit DER Stimme kannst Du prima Zeichentrickfilme synchronisieren. Danach wiederhole die Übung, während Du dein Instrument spielst.
Na fast, denn vorher kommt noch ein wichtiger Raum: die Mundhöhle. Zwischen Gaumen und Zunge muss die Luft noch hindurch. Was passiert, wenn der gleich starke Luftstrom aus der Lunge kommt, wir aber mit der Zunge die Vokale "a", "e", oder gar "i" formen? Der Spalt Zwischen Zunge und Gaumen wir enger, die Luft wird beschleunigt - und unser Ton?
Probiere es aus und lüfte eines der größten Geheimnisse der Blechbläserei. Übung: Setze dazu Zeige- und Mittelfinger wie beim Zeichen für "Peace" auf die Lippen, um sie nach außen hin zu begrenzen, ähnlich dem Rand eines Mundstücks. Nun blase, wie in dein Instrument. Dann bewege die Zunge rauf und runter. Überraschung! Die Lippen vibrieren schneller, ohne dass wir sie fester aufeinander pressen müssen und der Ton wird "wie von selbst" höher.
Mehr müssen die Lippen (fast) nicht machen. Also, demnächst nicht das "Eisen" noch fester ins Gesicht drücken und die Lippen- Muskulatur schädigen. Übrigens: mehr Luft - also fester blasen - bewirkt nur, dass der Ton lauter wird!
Wir wissen jetzt, wie die Luft rein und wieder raus kommt; wissen, wie man unterschiedlich hohe Töne erzeugt. Jetzt hilft nur noch regelmäßiges Üben. Es soll Musiker/innen geben, die haben an exakt einem Abend in der Woche Zeit für ihr Hobby. Und die wundern sich, warum sie schon seit x Jahren spielen, aber einfach nicht besser werden. Seit wie viel Jahren kannst Du schon gehen? Und du gehst sogar jeden Tag- nicht nur einmal pro Woche! Und, schaffst Du deshalb die 100 Meter in weniger als 10 Sekunden?
Lieber jeden Tag nur 10 Minuten üben, als einmal pro Woche eine Stunde!
Ich wünsche Dir viel Freude am Musizieren und Erfolg beim Üben!