Spiel- und Ausdruckstechnik - das Vibrato

Diverse Aussagen zum Vibrato

Wenn man das allwissende Internet mit einer Suchanfrage: "Vibrato & Saxophon" konfrontiert, findet sich neben sachlich sehr fundierten Aussagen leider auch die weit verbreitete Meinung, dass sich ein Vibrato schon von alleine einstellt, wenn man nur mit genug Gefühl spielt und das Vibrato sowieso "aus dem Bauch" heraus kommen muss... (ähnlich esotherische Aussagen finden sich übrigens auch, wenn es um die "Swing-Phrasierung" geht!)
Demgegenüber stehen die Aussagen von Jean-Marie Londeix, der sich als Schüler von Marcel Mule sehr intensiv dem Thema Vibrato beim Saxophonspiel gewidmet hat:
"Das Vibrato ist die leichte und regelmäßige Schwingung des Tones, bewusst hervorgebracht und entsprechend der musikalischen Absicht, um den Ausdruckswert der Note zu verstärken[...]
Beim Saxophon, einem der ausdrucksvollsten und lyrischsten Instrumente, ist das Vibrato ein wunderbares Mittel, die musikalischen Phrasen überzeugender zu gestalten, aber nur dann wenn das Vibrato beherrscht und von Qualität ist. Wenn nicht, wird es die Ursache von tausend Übeln und Ärgernissen sein. (Jean-Marie Londeix in: Saxophon Spielend Leicht, Band B, Teil III und IV - Blasmusikverlag Fritz Schulz, Freiburg 1978):

Was ist "Vibrato"?

Das Vibrato wird musikalisch definiert als gleichmäßiges (periodisches) Umspielen eines Zieltones mit gleichmäßiger Abweichungen der Tonhöhe nach Oben und Unten (Frequenzänderung). Am Bekanntesten ist das Vibrato vielleicht bei Streichinstrumenten, wo der Musiker dieses durch schnelles Hin- und Herbewegen des Fingers auf Saite und Griffbrett erzeugt. Hierdurch entstehen periodische Schwankungen der Tonhöhe, bei gleichbleibender Dynamik (Lautstärke oder Intensität des Tons).

Graphisch vereinfacht lässt sich das Vibrato gemäß der folgenden Abbildung darstellen:

In der praktischen Ausführung bewegt sich der gespielte Ton mit einer bestimmten Anzahl von Schwingungen pro Zeiteinheit (Periode) in einer definierten Tonhöhenabweichung (Amplitude) um den gewünschten Zielton

Ein Fehler der sich leicht einschleicht ist, dass der Zielton nur nach unten umspielt wird

Ebenso falsch ist es den Zielton nur nach oben zu verändern

Unterschiedliche Möglichkeiten ein Vibrato zu erzeugen sind unter Anderen:
- Lippen- oder Ansatzvibrato:
Die Lippenspannung, bzw. der Ansatz pulsiert leicht mit Hilfestellung des lockeren Unterkiefers - diese Art des Vibratos ist für das Saxophon das geeignete Mittel der Wahl
- Zwerchfellvibrato:
Es wird durch kontrollierte Schwingungen des Zwerchfells beim Ausblasen der Luft produziert - diese Art des Vibratos ist bei Flöten verbreitet
- Kehlkopf- oder Zungenvibrato:
Durch Tonänderungen wird ein Vibratoeffekt erzeugt (man stelle sich vor etwas wie: "oioioioi..." zu formulieren) - insbesondere das Kehlkopfvibrato ist gemeinsam mit dem Zwerchfellvibrato eher beim Gesang zu finden.

Was ist kein Vibrato?

Von der Definition her klar vom Vibrato zu unterscheiden ist das "Tremolo". Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine periodische Veränderung des Tons, allerdings beruht diese auf Dynamikunterschiede oder Veränderungen der Klangfarbe, wobei die eigentliche Tonhöhe (Frequenz) aber nicht verändert wird. Auch das Tremolo lässt sich gut am Beispiel von Streichinstrumenten darstellen: der gleiche Ton wird mit schnellem Wechsel der Streichrichtung des Bogens gespielt.

In der Ausführung lässt sich das "Tremolo" als wiederkehrende Abfolge von an- und abschwellender Dynamik darstellen.
Dementsprechend würde das Zwerchfellvibrato beim Saxophonspielen eher ein Tremolo erzeugen, da primär die Dynamik und nicht die Intonation des Tones beeinflusst wird.

Intonation

1. Spielt einen langen Ton und kontolliert die richtige Intonation mit dem Stimmgerät. Lockert langsam den Ansatz und seht wie die Tonhöhe nach Unten geht. Die Abweichung kann je nach Lage des Tones, Ansatz und Stütze bis zu einem Halbton und mehr betragen. Offene Mundstücke lassen dabei naturgemäß einen größeren Modulationsspielraum zu als Mundstücke mit einer engen Öffnung.
2. Spielt den gleichen Ton noch einmal und versucht den Ton durch einen stärkeren Ansatz nach oben zu verändern. Ihr werdet feststellen, dass die Abweichung nach oben wesentlich geringer ausfällt, als die Verschiebung der Intonation nach Unten. Dies gilt u. U. nicht für die hohe Lage des Instrumentes, da diese Töne oftmals bauartbedingt höher intonieren.

Tip
1.Lernt den Sitz der Töne kennen: spielt alle Töne lang und gleichmäßig mit Kontrolle durch das Stimmgerät. Eventuell muss das Instrument sogar etwas tiefer gestimmt werden als gewohnt!
2. Versucht das Vibrato mit einer Verschiebung der Tonhöhe nach oben zu beginnen: dadurch lässt sich die Abweichung nach unten besser kontrollieren. Wenn die erste Schwingung nach unten geht, geht diese leicht zu tief und das gesamte Vibrato findet unterhalb des Zieltones statt.

Rhythmische Genauigkeit

Der bereits oben erwähnte Marcel Mule war ein Pionier auf dem Gebiet des Vibratos für das Saxophon. In den 1920 Jahren führte er eine kultivierte Form eines bis dahin nur wenig kontrollierten "Jazzvibratos" in die "Ernsthaften-" Klassische Musik ein. Intensive Studien zu dem Thema ergaben ca. 240 und 320 Schwingungen pro Minute als empfehlenswert. Das bedeutet:
- vier Schwingungen pro Schlag bei Tempo 75 - 76
- drei Schwingungen bei Tempo 100
- fünf Schwingungen bei Tempo 60

Tip
Die folgenden Übungen sind hilfreich eine rhythmische Kontrolle über das Vibrato zu erlangen. Die Übungen immer mit Metronom ausführen. Dabei den gesamten Tonumfang des Instruments berücksichtigen, um die Homogenität und Gleichmäßigkeit des Vibratos zu erhalten und eine Beherrschung aller Töne zu erlangen.

Übung 1

Diese Übung zunächst über alle Töne spielen, später dann auch das Tempo steigern

Übung 2

Hier wird der Übergang vom "geraden" Ton zum Vibrato geübt. Diese Übung ebenfalls über alle Töne üben, später dann auch das Tempo steigern

Übung 3

Ebenfalls über alle Töne, wenn das Tempo am Anfang zu schnell ist, entsprechend langsamer anfangen und das Tempo mit zunehmender Sicherheit steigern.

Regeln und Tipps zum Vibrato

Zum Schluss noch einige Regeln nach J.-M. Londeix:
- Kein Vibrato verwenden, wenn die Intonation nicht perfekt ist
- Vibrato nie auf allen Tönen verwenden, oft sind bereits achtel Noten nicht mehr für ein Vibrato geeignet. Bei Stellen von nachgeordnetem Interesse wie z. B. in einer Orchestermusik, sollte das Vibrato möglichst wenig, fast unmerklich eingesetzt werden.
- Vibrato soll vor allem auf den ausdrucksstarken Tönen einer Phrase, im totalen einverständnis mit Ihrem musikalischen Charakter. Dementsprechend gibt es kein festgesetztes Tempo für das Vibrato. Der Spieler muss Geschmack und Persönlichkeit beweisen durch die mehr oder weniger große Amplitude, die entsprechend der zu spielenden Phrase verschieden sein kann. Und durch die mehr oder weniger große Häufigkeit der Schwingungen, die nach dem Stil des Stückes verschieden sein kann."

Bis zum nächsten Mal