"Honking and Screaming" sind Ausdrücke, die oft in Verbindung mit dem Saxophon im Rhythm’n’Blues gebracht werden. Wörtlich übersetzt bedeutet das: "Hupen und Schreien" - sinngemäß ist aber eher "Rotzen und Schreien" gemeint. Und genauso läßt sich der spezielle Sound beschreiben, der schon seit den 1920’er Jahren so typisch für das Saxophon ist: der rauhe, manchmal aggressive Ton, der an die emotionale Klangfarbe der menschlichen Stimme erinnert.
Eine Technik, die für diese Effekte benötigt wird, ist das
"Growling"
"Growling" bedeutet so viel wie "Brummen" oder "Knurren". Zu hören ist dieser Effekt bei vielen Saxophonisten/-Innen angefangen von z. B. Ben Webster, Louis Jordan, Earl Bostic (Harlem Nocturne), Junior Walker, Boots Randolph (Yakety Sax), bis hin zu Joshua Redman, Clarence Clemmons, Candy Dulfer und natürlich mein "alter" Kumpel Albie Donnelly
Eigentlich ganz einfach: beim "Growl" muss man zu dem gespielten Ton noch einen Ton mitsingen...
Soweit die Theorie - in der Praxis steckt der Teufel wieder in dem Wörtchen "eigentlich". Denn leider ist es gar nicht so einfach gleichzeitig zu singen und einen Ton auf dem Saxophon zu spielen. Aus Erfahrung kann ich aber sagen, dass es einige Tricks und Übungen gibt, die es jedem Saxophonisten und jeder Saxophonistin erlauben ein schönes "böses" Growl zu spielen.
Wenn wir uns beim Singen eines einzelnen Tons z. B. ein AAAH, durch den geöffneten Mund beobachten, dann ist festzustellen, dass kaum Luft durch den offenen Mund strömt. Erst wenn die Lippen locker geschlossen werden - stellt Euch etwa das Wort "AAAAWWWW" vor, können wir feststellen, dass überhaupt Luft über die Lippen strömt. Allerdings wird die Intensität des Luftstroms beim Singen erfahrungsgemäß nicht ausreichen um das Saxophonblättchen in Schwingung zu versetzen. Ganz nebenher habt Ihr aber mit dem Versuch die größte Hürde beim "Growling" quasi unbewusst überwunden: Ihr habt gleichzeitig gesungen und gegen einen Widerstand geblasen! Andere Möglichkeiten ein Gefühl dafür zu entwickeln sind z. B. das stimmhafte Gurgeln oder einfach durch einen Strohhalm in ein Wasserglas zu singen. Oder auch das "Kazoo", ein altes Spielzeug - es besitzt eine Membran die durch hineinsingen die Gesangsstimme verzerrt und den typischen Sound erzeugt.
Bei der nächste Übung zur Koordination von Blasen und Singen sollen zwei unterschiedliche Töne gleichzeitig produziert werden, ähnlich wie das später auch mit dem Saxophon geschehen soll:
1. Einen langen kräftigen Ton mit den Lippen pfeifen
2. Während des Pfeifens Stimme dazugeben indem ein Ton locker dazugehaucht wird: etwa "Huuuh" - versucht einen Ton zu singen, der tiefer klingt als der gepfiffene
3. darauf achten, dass der Luftstrom nicht abreißt und der gepfiffene Ton stabil bleibt
4. hört man jetzt einen "gegrowlten" Flötenton
5. könnte man jetzt Tonvariationen ausprobieren z. B. bei gleicher gepfiffener Tonhöhe unterschiedlich hohe Töne singen, oder bei gleicher gesungener Tonhöhe unterschiedliche Töne pfeifen
Im nächsten Schritt soll das Prinzip des stimmhaften Blasens auf das Saxophon übertragen werden. Zur Vereinfachung soll zunächst nur das Mundstück mit dem S-Bogen verwendet werden, sodass die volle Konzentration der Tonerzeugung gewidmet werden kann. Wer vorher das "singende Pfeifen" ausprobiert hat, wird feststellen, dass das Pfeifen schon mit einer gewissen Atemstütze verbunden ist, damit der Ton nicht abreißt. Das wird in der Übung mit dem Saxophonmundstück noch gesteigert, da die Masse des Blättchens noch mehr Körpereinsatz erfordert, als das Pfeifen mit den Lippen.
1. locker in den Bauch einatmen
2. Mundstück mit ganz normalen lockeren Ansatz in den Mund nehmen
3. Gerade so viel Druck auf das Blättchen ausüben, dass beim leichten hineinblasen noch kein Ton entsteht, aber ein deutlicher Widerstand am Mundstück zu spüren ist
4. Wie beim Kazoo in das Instrument singen, dabei einen langen gleichmäßigen Ton produzieren etwa auf "Dooh" oder "Duuh". Achtet darauf, dass der Ton nicht im Mund bleibt sondern durch das gesamte Instrument gesungen wird
5. Den Druck auf das Blättchen erhöhen, bis es anfängt zu schwingen und selber einen Ton erzeugt
6. Nicht erschrecken, wenn das Blättchen anfängt zu schwingen und gemeinsam mit dem gesungenen Ton ein "gegrowlter" Ton entsteht. Wichtig ist, die Luftsäule kräftig aus dem Bauch heraus zu stützen und nicht den Kehlkopf zu verschließen bzw. durch den Stimmeinsatz so eng zu machen, dass nicht mehr genug Luft an das Blättchen gelangt
7. Wenn der Effekt des Growls nicht oder nur ganz leicht auftritt und stattdessen der geblasene Ton dünn und instabil wirkt, versucht mal einen anderen Ton zu singen. Der gesungene Ton sollte möglichst eine andere Tonhöhe als der mit dem Mundstück produzierte Ton haben
8. Singt unterschiedliche Töne und lasst auch mal einen tiefen Ton im Glissando nach oben Ansteigen und umgekehrt
9. Achtet dabei auf die Veränderung der Qualität und Intensität des "Growls"
Vielleicht ist euch bei der vorhergehenden Übung aufgefallen, dass die Qualität und Intensität des "Growls" nicht bei allen Tonkombinationen gleich gut ist. Grundsätzlich sind beim "Growling" bestimmte Intervalle weniger gut geeignet. Wenn z. B. der gleiche Ton gesungen und gespielt wird, tritt kaum ein "Growlingeffekt" auf, stattdessen "wabert" der Ton, bzw. sind starke Schwebungen festzustellen, die fast an einen "Chorus" Effekt erinnern. Der gleiche Effekt tritt bei der Oktave auf.
Ein schöner "gegrowlter" Ton entsteht aber z. B. wenn ein zweigestrichenes "C" gespielt und das darunterliegende eingestrichene "F" also die Quinte, gesungen wird. Eine weitere Übung könnte also darin bestehen die vorgenannten Töne "C'' " zu spielen und "F' " zu singen um sie dann jeweils einen Halbton oder auch einen Ganzton nach Unten und dann wieder nach oben zu verschieben. Richtig ausgeführt sollte sich die Klangfarbe und Intensität des "Growlings" auch bei veränderter Tonhöhe nicht verändert haben.
Spätestens wenn die gespielten Töne in eine Tonlage kommen in der aufgrund des eigenen Stimmumfangs keine Quinten unterhalb des gespielten Tons mehr gesungen werden können, sollten auch Töne gesungen werden, die höher klingen als der gespielte Ton. Ihr werdet feststellen, dass bei einem gut gewählten Intervall von gespieltem und gesungem Ton ebenfalls ein "Growling" auftritt, allerdings ist die Intensität anders. Ich finde den Klang "dichter", andere haben diesen Effekt mit "schreiend" umschrieben. Versucht selber euch einen Eindruck zu verschaffen, und nutzt den Effekt bei Bedarf.
Ähnlich wie bei der Pfeifübung sollte auch probiert werden wie sich der "Growleffekt" verändert, wenn die Tonhöhe des gesungenen Tons verändert wird. Das kann im gesungen Glissando geschehen, man kann aber auch einfach die Tonleiter herab oder herauf singen. Gleichermaßen sollte bei einem gleich gesungenen Ton der gespielte Ton verändert werden. Ihr werden feststellen, dass es sogar recht schwierig sein kann die Tonhöhe des gesungen Tons zu halten, während andere Töne gespielt werden!
Für ein überzeugendes "Growling" ist die grundsätzlich korrekte Intonation des gespielten Tons unerlässlich. Kontrolliert deshalb gerade zu Beginn der "Growlübungen" sehr sorgfältig mit dem Stimmgerät wie sich eure Intonation verhält. Möglicherweise müsst Ihr den Ansatz etwas korrigieren und damit auch die Stimmung des Instrumentes anpassen.
Es wäre natürlich phantastisch immer ganz genau den Ton zu singen der mit dem gespielten Ton gemeinsam das perfekte "Growling" erzeugt. Das setzt allerdings ein sehr hohes Maß an Stimmkontrolle voraus. Und aus Erfahrung kann ich sagen, dass in der Realität selbst ausgemachte und erfahrene "Honker und Screamer" nicht permanent genaue und gleiche Intervalle zu den gespielten Tönen singen. Vielmehr bewegen Sie sich in einem Tonumfang ober- oder unterhalb des gespielten Tons der das gewünschte Maß "Growleffekt" hinzufügt.
Zum Abschluss wieder der Hinweis: Üben hilft
Bis dahin, Euer Big Jay.