Dynamik für Saxophonisten

Einleitung

Sagt der Dirigent: "Spiel mal mit mehr Dynamik" - sagt der Saxophonist: "Wie denn? ich spiele doch schon so laut, wie ich kann!".
Gut, ich gebe zu, das ist ursprünglich ein Schlagzeugerwitz, trifft aber mit Sicherheit auch auf viele Bläser, bzw auf viele Saxophonisten zu. Es gibt nicht wenige Musiker, die sich der Wirkung unterschiedlicher Lautstärken in der Musik überhaupt nicht richtig bewusst sind und dadurch jedes Lied mit der gleichen Dynamik spielen. Dabei ist es doch ein ganz wichtiges musikalisches Element, wenn ein Lied womöglich druckvoll beginnt, im mittleren Teil ganz leise wird, um dann zum furiosen Finale auszuholen. Und wenn diese dynamischen Feinheiten dann womöglich vom ganzen Saxophonsatz, oder sogar vom ganzen Orchester oder von der kompletten Band gespielt werden, dann ist die musikalische Wirkung optimal.
Bei manchen Bläsern ist aber nicht nur eine Frage, sich der dynamischen Möglichkeiten bewusst zu werden, sondern schlichtweg auch eine Frage der eigenen Spieltechnik. Jeder hat sich wahrscheinlich schon einmal vom Saxophonlehrer oder vom Dirigent sagen lassen müssen, dass es viel schwerer sei leise, anstatt laut zu spielen. Genau hier liegt bei manchen Bläsern oder zum Teil auch bei manchen Laienorchestern das Problem: Wenn man als Einsteiger seine ersten Töne auf einem Blasinstrument herausbekommen will, ist dies normalerweise sehr viel leichter, wenn wir "mit viel Puste" hinein blasen - meistens kommt dann der Ton "irgendwie", wenn auch nicht immer besonders schön. Manchen Hobbymusikern fehlt es dann oft schlichtweg an der Zeit und an der Lust, sich beim täglichen Üben um Tonbildung und Dynamik zu kümmern und so wird dann ständig mit viel Luft und Druck permanent zu laut gespielt, weil dann ja zumindest die Töne irgendwie kommen.
Um dem entgegen zu wirken, möchte ich hier einmal einige schön Dynamikübungen vorstellen, die man sehr gut in sein tägliches Übeprogramm einbauen kann.

Dynamik - Symbole:

In den folgenden Dynamikübungen werden einige Symbole vorkommen, die jeder Musiker schon einmal unter seinen Noten gesehen hat, zum Beispiel: mf, pp, ff, usw...

f = forte / p = piano / mf, bzw. mp = mezzoforte, bzw mezzopiano

"Forte" bedeutet "laut" / "piano" bedeutet "leise" - soweit ganz einfach. Soll eine Passage noch lauter gespielt werden, dann steht da meistens "ff", soll sie extrem laut gespielt werden, dann steht da zuweilen "fff" oder "ffff". Also je mehr "f" dort stehen, desto lauter soll gespielt werden; aber spätestens hier sieht man auch, wie relativ diese Bezeichnungen sind.
Genauso ist es beim "piano": bei einem "p" soll leise gespielt werden, bei zwei "pp" ganz leise", bei drei "ppp" extrem leise, auch hier wieder alles relativ. Das "m" (für "mezzo") bedeutet "mittel", wir sollen eine Passage also "mittel - laut" oder "mittel - leise" spielen. Weil die Anzahl der "p"´s und "f"´s wirklich sehr relativ ist, beschränke ich mich in meinen Übungen auf "pp" und "ff".

Dynamikübung Nr. 1

Da es bei der Dynamik ja irgendwie um unterschiedliche Lautstärken geht, werden wir genau das trainieren. In unserer ersten Übung bläst du einen Ton in deiner "normalen Lautstärke" an und wirst immer leiser bis man den Ton kaum noch wahrnimmt - du spielst sozusagen ein "Fade Out". Danach atmest du erneut ein und spielst den Ton genauso leise wieder an, wie du vorher aufgehört hast und lässt ihn immer lauter anschwellen, so laut es geht. Achte bei dieser Übung ganz besonders darauf, dass du mit ausreichender Zwerchfellstütze spielst und besonders in den lauten Passagen nicht zu sehr mit den Lippen und mit dem Kiefer drückst. Du musst immer das Gefühl haben, dass die Töne von ganz tief unten aus deinem Bauch kommen.

Du wirst sehr schnell merken, wie schwierig es ist, bei dieser Übung die Tonhöhe konstant zu halten. Wirst du leiser, neigt der Ton automatisch dazu, in der Tonhöhe nach oben zu gehen, wirst du lauter, wird der Ton tiefer. Hier musst du ganz bewusst beim Spielen zuhören und mit dem Ansatz entgegenwirken.

Dynamikübung Nr. 2

Diese Übung ist ähnlich, wie die erste Dynamikübung, diesmal spielen wir aber in einem langen Bogen: wir fangen in einer mittleren Lautstärke an, werden ganz leise, bis man den Ton kaum noch hört und werden dann wieder lauter und lauter.

Dynamikübung Nr. 3

Nun spielen wir das Gleiche mit mehreren kurzen Tönen vom Mezzoforte ("mf"), leiser werdend zum Pianissimo ("pp") und dann wieder lauter werdend bis zum Fortissimo ("ff")

Andere Töne:

Nachdem du die drei Dynamikübungen mit dem Ton H kennen gelernt hast, kannst du diese natürlich auch mit anderen Tönen trainieren. Im Idealfall solltest du immer einige Töne aus der mittleren Lage, aber auch einige ganz tiefe und einige ganz hohe Töne durchspielen.

Sonderfall: Fortepiano

Dies ist eine sehr effektvolle Spieltechnik, die besonders gerne in Big Bands eingesetzt wird und absolut genial klingt, wenn viele Bläser sie synchron einsetzen. Beim Fortepiano spielen wir einen Ton laut an, werden aber dann sofort ganz leise, um den Ton dann gleichmäßig wieder zur ursprünglichen Lautstärke anschwellen zu lassen.

Vielleicht mögen diese Dynamikübungen erst einmal ein bisschen stupide wirken, aber wie bei einem Sportler ist es auch für uns Musiker sinnvoll, dass wir eine gewisse Technik trainieren, die wir dann, wenn es darauf ankommt, sinnvoll einsetzen können. Ich verspreche dir, wenn du jeden Tag ca fünf Minuten solche Übungen spielst, wirst du nach einigen Wochen schon viel souveräner mit der Dynamik umgehen können.

In diesem Sinne: viel Spaß beim SAXXXEN!

 

Euer

Infos: www.dirko-juchem.de

Dirko Juchem ist als Live- und Studiomusiker ebenso gefragt, wie als Autor seiner zahlreichen Bücher für Saxophonisten und Flötisten. Auf der Bühne und im Studio hat er schon mit solch bekannten Größen wie Rolf Zuckowski, Thomas Anders und Barbara Dennerlein gearbeitet, auf internationaler Ebene mit der amerikanischen Jazzsängerin Sarah K. und Weltstar Paul Anka. Unter seinen zahlreichen Buchveröffentlichungen ist besonders "Saxophon spielen - mein schönstes Hobby" hervorzuheben, dass sich inzwischen zu einer der meistverkauften Saxophonschulen in Deutschland entwickelt hat, aber auch die beliebten Mitspielhefte aus seinen "Schott Saxophone Lounge" - Reihe.
2008 wurde Dirko Juchem mit dem Europäischen Medienpreis ausgezeichnet.