Tontechnik für die Blasmusik (4): „Die Mikrofonierung – Das richtige Mikrophon am richtigen Platz: Die Holzbläser“

Holz gegen Blech

Für die Mikrofonierung besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen Holz- und Blechblasinstrumenten darin, dass bei Holzblasinstrumenten die Tonhöhe hauptsächlich durch Schließen und Öffnen der Grifflöcher bestimmt wird. Hierdurch wird eine Längenveränderung der schwingenden Luftsäule und dadurch eine Tonhöhenveränderung bewirkt. Dieses bedeutet aber auch, dass der Ton bei Holzblasinstrumenten nicht nur über den Schalltrichter, sondern zu einem wesentlichen Teil auch über die Grifflöcher und den Korpus des Instruments abgegeben wird.

Die Obertonstruktur

Genau wie auch bei den Blechblasinstrumenten wird der typische Klang von Holzblasinstrumenten geprägt durch die Obertonstruktur. Auch hier sind die, bereits im letzten Workshop erwähnten Formanten - typische, instrumentenabhängige Obertonstrukturen - für den charakteristischen Klang des Instruments verantwortlich.

Unterschiede zwischen Holz- und Blechblasinstrumenten zeigen sich in der Zusammensetzung der Obertonstruktur. Die Platzierung eines Mikrofons zur Abnahme eines Holzblasinstruments wird dementsprechend anders aussehen als bei einem Blechblasinstrument.

Charakteristische Eigenarten von Holzblasinstrumenten

Klarinette:

Der Klang der Klarinette ist sehr komplex. Er verändert sich abhängig vom Tonbereich deutlich. So lassen sich drei Register unterscheiden, die eine unterschiedliche Obertonstruktur aufweisen. Das tiefe Register ist dabei Obertonreich, das höchste Register wird durch den Grundton und Formanten zwischen 3 kHz und 4 kHz geprägt.

Besonders zu beachten ist die große Dynamik der Klarinette die einen starken Einfluss auf den Obertonaufbau hat. Im Pianissimo der eingestrichenen Oktave reicht das Spektrum nur bis ca. 1,5 kHz, während ein Fortissimo Klanganteile bis 12 kHz aufweist.

Die Klarinette, wie auch andere Holzblasinstrumente strahlt Klanganteile bis 1 kHz überwiegend über die Grifflöcher ab. Mit zunehmender Frequenz wird der Abstrahlbereich stärker auf den Schalltrichter fokussiert. Auf der folgenden Abbildung ist das frequenzabhängige Abstrahlverhalten der Klarinette schematisch dargestellt:

Schematische Abstrahlcharakteristik der Klarinette: Wichtig ist auch die Reflexionen der hohen Frequenzanteile des Schallbechers z. B. am Boden oder auch an Notenpulten zu beachten. (Ja, der aufmerksame Beobachter hat meine bezaubernde Assistentin Franziska sofort wieder erkannt und nein, Franziska spielt nicht Klarinette… ;-)

Saxophon:

Im Gegensatz zur Klarinette hat das Saxophon einen konischen Korpus. Im Klang des Saxophons sind die ersten Obertöne stark ausgebildet. Die Form des Korpus ist der Grund für eine andere Obertonstruktur, die sich trotz der gleichen Tonerzeugung durch ein einfaches Rohrblatt, von der Klarinette unterscheidet.

Aufgrund des nach oben gerichteten Schallbechers fallen die Zonen der Abstrahlung tieferer und höherer Klangkomponenten im Nahbereich stärker zusammen.

Flöte (Querflöte):

Bei der Flöte ist der Grundton im Klangspektrum stärker ausgeprägt als bei allen anderen Blasinstrumenten. Formanten sind kaum festzustellen. Die höchsten Klangkomponenten liegen bei 3 kHz – 6 kHz.

Mikrofonauswahl und Mikrofonplatzierung:

Grundsätzlich werden mit Holzblasinstrumenten nicht so hohe Schallpegel wie mit Blechblasinstrumenten erzeugt. Das lässt in jedem Fall auch die Nutzung der empfindlicheren Kondensatormikrophone zu. Entscheidend ist, dass der Frequenzverlauf des ausgewählten Mikrofons die wichtigen Frequenzbereiche und Formanten des zu verstärkenden Instruments nicht über oder unterbetont.

Die Auswahl der Richtwirkung des Mikrophons ist abhängig von der Spielsituation:

Eine tendenziell stärkere Isolierung des gewünschten Signals lässt sich mit einer Hypernieren-Richtcharakteristik erzeugen. Es muss aber bedacht werden, dass der Aufnahmebereich eines Holzblasinstruments keine punktuelle Schallquelle darstellt, sondern sich mehr oder weniger über das gesamte Instrument erstreckt. So lässt sich ein Mikrofon mit stärkerer Richtcharakteristik möglicherweise besser einsetzen, wenn die Entfernung zum Instrument oder den Instrumenten eher etwas größer (mehr als ca. 50 – 60 cm) ist. Ein Mikrophon mit breitem Aufnahmebereich (Nierencharakteristik) ist dagegen vielleicht besser für die Aufnahme im Nahbereich des Instruments geeignet. Außerdem ist die „Rückwärtsdämpfung“ von „Nieren“-Mikrofonen besser als von „Hypernieren“.

Klarinette:

Die Ausrichtung des Mikrofons im Nahbereich gestaltet sich bei Holzblasinstrumenten als schwierig. Wie auf der Abbildung oben zu sehen ist, gibt es z. B. bei der Klarinette wie auch beim Sopransaxophon unterschiedliche Bereiche unterschiedlicher Frequenzabstrahlung. Idealerweise würden dafür zwei Mikrophone eingesetzt werden. Der Fachhandel hält hierfür auch entsprechende Lösungen bereit. Ein guter Kompromiss lässt sich aber erzielen, wenn das Mikrofon nicht zu nah auf den unteren Teil des Korpus, oberhalb des Schalltrichters ausgerichtet ist. Eine Ausrichtung auf den Schalltrichter würde im Ergebnis einen scharfen, engen Ton liefern, der nicht dem natürlichen Klang des Instruments entspricht, da in diesem Bereich der Anteil der hohen Frequenzanteile des Tons überrepräsentiert ist.

Diese Position lässt sich leicht mit einem niedrigen Mikrofonstativ (siehe Beispiel 1) oder aber auch mit einem Clipmicrofon, welches am Trichter oder mit einer speziellen Halterung am unteren Teil des Instruments befestigt wird, erreichen. Ein Clipmikrofon lässt sich aber auch sehr gut am Notenpult befestigen und kann von dort sogar gegebenenfalls für Solopassagen an das Instrument geclipt werden (Beispiel 2).

Tenor- und Altsaxophon:

Beim Tenor- oder Altsaxophon sind die Tonbereiche im Nahbereich nicht so stark getrennt, da diese durch den nach oben gerichteten Schalltrichter stärker zusammengeführt werden. Dennoch ist von einer Ausrichtung des Mikrofons in den Schalltrichter abzuraten. Zunächst gilt auch für das Saxophon, dass im Bereich des Schallbechers die hohen Frequenzanteile des Klangs dominieren, der Ton klingt tendenziell hart oder scharf– das kann allerdings auch hilfreich sein, wenn der Grundton eher matt ist und etwas mehr „Präsenz“ gewünscht wird. Ein anderer Aspekt ist, dass die hohen Töne in beiden Oktaven ab dem „g“ aus den Tonlöchern im oberen Bereich des Korpus kommen, die tieferen und ganz tiefen Töne aber stärker durch den Schallbecher tönen. Durch eine Ausrichtung in den Schallbecher können die tiefen Töne deshalb etwas „bollerig“ und unkontrolliert klingen, während die höheren Töne eher etwas zurückbleiben.

Eine bewährte Ausrichtung des Mikrophon zeigt die folgende Abbildung (Beispiel 3) mit Molly Duncan von der „Average White Band“ am Tenorsaxophon:

Querflöte:

Ein ausgewogener und weicher Ton lässt sich oberhalb der Tonlöcher abnehmen. Wenn die Anblasgeräusche auch übertragen werden sollen empfiehlt sich eine Mikrofonposition in der Nähe des Mundstücks. Einen gleichmäßigen Klang wird man am ehesten mit einem Mikrofon erreichen, dass in einem Stativ oberhalb der Flöte in einem Abstand von ca. 0,5 m – 1 m befindet. Zur besseren Dämpfung der Umgebungsgeräusche könnte dieses ein gerichtetes Mikrofon (Hyperniere) sein. Ein Kondensatormikrofon leistet in diesem Zusammenhang wegen der guten Auflösung gute Dienste. Für mehr Bewegungsfreiheit hat sich auch der Einsatz eines Kopfbügelmikrophon als sehr geeignet erwiesen. Durch die Ausrichtung der Kapsel lassen sich die Luftgeräusche des Anblasens gezielt in den Gesamtklang integrieren. Der große Vorteil gegenüber einem Clipmikrofon, welches mit einer speziellen Halterung an der Flöte befestigt wird, ist, dass das Kopfbügelmikrofon auch einen unkomplizierten Instrumentenwechsel z. B. zur Piccoloflöte zulässt.

Bis dahin, keep on rockin‘
Jürgen Wieching